Nicht wollen, nicht können, nicht müssen!

So könnte man die Situation eines leider viel zu großen Teils der deutschen Jägerschaft im Verhältnis zu der Problematik der überhöhten Wildbestände und daraus resultierenden Wildschäden beschreiben.
Wie nicht anders zu erwarten war, wurden auf dem Wald und Wildforum in Göttingen von Seiten der „regionalen Jägerschaft Niedersachsens“ und ihres Schirmherrn D -T. diejenigen Argumente der FVA Freiburg aufgegriffen, mit denen man sich neuerdings die Absolution für jagdliches Versagen abholen kann: nämlich die Behauptung, dass es vor allem andere Verantwortliche sind (Pilzsucher, Mountainbiker  und sonstige Naturnutzer, aber nicht die Jäger) die für die überhöhten Wildbestände und Wildschäden die Verantwortung zu tragen hätten.

Viele Argumente des Jägermeisters (nicht Meisterjägers) sind doch recht diffus wie die Aussagen über fehlende Äsungsflächen in einer immer intensiveren Landwirtschaft und auf der anderen Seite die Aussage dass in einem naturgemäß bewirtschafteten Wald, das Wild höhere Biotopqualitäten findet.

Was denn nun? Verhungernde Rehe inmitten prallen Grüns, oder Biotopverbessernde Forstwirtschaft? Mal davon abgesehen, dass das Schalenwild noch nie so viel energiereiche Äsung im Feld und im Wald finden konnte wie heute, sind solche Argumente zwar immer willkommen, treffen aber nicht die Realität in deutschen Wäldern in denen schon mal 1 Stück Schalenwild pro ha vorkommen kann.

Es ist  nur frustrierend wenn man über Jahrzehnte miterleben muss, wie eine recht kleine gesellschaftliche Gruppe egoistischer Naturschützer von Seiten der Politik aus der Verantwortung für ihr Tun entlassen wird.

Der Bayrische MP wusste genau was er meinte als er sagte: eine Jagdrechtsreform würde die Jäger zu Gejagten machen. Bisher wurden die Grünbefrackten aber immer, egal wie viel Schaden sie provoziert haben von fast jeder politischen Couleur in Schutz genommen. Was mir als Revierleiter, der seit 35 Jahren mit Erfolg die Vielfalt in den von mir bejagten Revieren zurückschießt, besonders weh tut, ist die Tatsache, dass der überwiegende Teil der jagdlich organisierten Förster in Deutschland es offensichtlich in Ordnung findet, die Jagdverbände zu unterstützen, welche die Arbeit unseres Berufsstandes beschädigt oder zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Wald durch die völlig antiquierten jagdlichen Philosophien erheblichen Schaden erleidet.

Ist es politische Klugheit, Opportunismus oder nur Feigheit, mit den Widersachern angepasster Wildbestände zu kollaborieren. Kritische Distanz wäre aus meiner Sicht die richtige Haltung, aber der Reiz mit den vermeintlich Mächtigen mitspielen zu dürfen ist offensichtlich übergroß. Der elitäre Anspruch der Forstleute wird durch diese unselige Partnerschaft doch sehr in Frage gestellt!

Aus dieser Sicht war die Gründung des ÖJV im jagdlichen Kontext sicher genau so richtig und wichtig wie die Reformation in kirchlichen Belangen .vor 500 Jahren.

Lange Zeit wurden die letzten Aufrechten, die dieses waldschädigende Tun nicht mehr ertragen konnten, als Nestbeschmutzer und jagdliche Schmuddelkinder angesehen und entsprechend behandelt. Die Forderung nach selbstkritischen und mit Zivilcourage ausgestatteten Mitbürgern ließ man für diese Jäger nicht gelten. Kritik an den selbstgerechten Etablierten wurde natürlich als Majestätsbeleidigung ersten Grades empfunden und musste geahndet werden.

Durch die politischen Veränderungen in Baden-Württemberg besteht nun die Chance, vorbildlich für ganz Deutschland ein Jagdrecht zu kreieren, das vor allem die Rechte der Jagdrechtsinhaber, nämlich dem Waldbesitz stärkt, und die Verantwortlichen konsequent und nicht mehr in aller Regel, sprich selten bis gar nicht in die Pflicht nimmt. Das dies mehr als notwendig ist, sieht man schon an der Reaktion der Landesjagdverbände, die gebetsmühlenartig wiederholen, dass wir das beste Jagdrecht der Welt besäßen und eine Reform völlig überflüssig wäre. Es grenzt schon an einen absoluten Realitätsverlust zu erklären, dass die jagdlichen Verhältnisse in unserem Land in Ordnung seien, bis auf die 16 Regionen, die man gemeinhin als Bundesländer bezeichnet!!!

Die Angst vor Verlust der Lufthoheit sitzt tief, verkennt aber die Realität der Sicht unserer Gesellschaft auf unser jagdliches Tun. Mit Arroganz und der Unfähigkeit die jagdliche Sicht- und Handlungsweise immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, wird die Jagd immer mehr in den Fokus gesellschaftlicher Kritik geraten.. Wir brauchen neue Antworten für die in ständiger Veränderung befindlichen Grundlagen und Sichtweisen aller Naturnutzer dieser Gesellschaft. Wer glaubt mit Antworten aus feudalen Zeiten die Probleme einer pluralistischen Gesellschaft, deren natürliche Lebensgrundlagen im Laufe der letzten Jahrzehnte extremen Veränderungen unterlagen, bewältigen zu können, nur weil man vermeintlich immer im Recht war, wird auf Dauer der Verlierer gesellschaftlicher Prozesse sein.

Es reicht nicht, als vermeintlicher Bambi-Retter vor unbedarften Schulkindern den Gutmenschen zu mimen. Was wir brauchen sind Jäger mit Verantwortung für unsere freie Landschaft und ihrer Tier- und Pflanzenwelt, auch dort wo dies nur mit persönlicher Einschränkung liebgewordener Gebräuche und Traditionen einhergeht.

Das Göttinger Forum hat die Menschen guten Willens zusammengebracht und  aufgezeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Beteiligten, seihen es Vertreter der Forschung, des Waldbesitzes oder der forstlichen Praxis klar für die moderne Sicht auf die Jagd votieren. Es wäre gut, wenn der niedersächsische Landesjagdverband die Zeichen der Zeit versteht und offensiv seine Mitglieder in diese Richtung mitnimmt. Die vom ÖJV schon seit langem eingeforderte waldgerechte Jagd rottet weder Wildbestände aus, noch verhindert sie lustvolles Jagen. Sie fordert aber sicher die Jäger in stärkerem Maße sich zu bewegen und neue und effektivere Jagdmethoden zu akzeptieren und anzuwenden, was man ja von grünen Abiturienten auch erwarten kann. Es bleibt zu hoffen, dass dieses seit Jahrzehnten unwürdige Spiel auf Kosten unserer Wälder, mit Klagen von Seiten der Waldbesitzer und der Blockade der Jägerschaft andererseits endlich abgelöst wird durch ein offenes und ehrliches Miteinander zum Wohle unseres Waldes und des darin lebenden Wildes. Dazu brauchen wir furchtlose Förster, verantwortungsvolle Jäger, eine unabhängige Wildforschung und starke zukunftsfähige Regierungen.

Der Wald braucht keine Jägermeister, sondern Meisterjäger!

Wolfgang Steier, Revierleiter mit Regie- und Pachtjagd

Mitlied im Beirat des ÖJV BA-Wü

 

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